wir sind beide sechsundzwanzig

(we are both twenty six)

 

Da fotografiert sich die Künstlerin Aslı Özdemir aus Erbach im Odenwald gleich zwei mal in der Küche, den Kopf nach hinten gewendet, der Blick aufmerksam und leicht herausfordernd. Die Künstlerin als Hausfrau(oder umgekehrt), velazquezhaft für einen Moment abgewandt vom Abwasch, als wär's die Leinwand auf der Staffelei. Indes: Es ist die gleich Pose, der gleiche Raum, aber bei aller Ähnlichkeit doch nicht die gleiche Frau, die in die Kamera schaut. Zwischen Original und Replik, Mutter und Tochter liegen 30 Jahre, die wie ausgelöscht erscheinen in der Identität desselben Moments. Hier gilt es nicht dem Fortschreiten und dem Fortschritt, nicht der vergehenden und vergangenen Zeit, sondern der Wiederkehr, Rundung statt Linie, zyklisch verblassende und dann wieder konturenscharfe Erinnerung, ein Modus fortwährenden Dämmerns.

 

 

 

Text: Martin Mezger I Esslinger Zeitung

 

EN

 

The artist Aslı Özdemir from Erbach in the Odenwald takes two photographs of herself in the kitchen, her head turned back, her gaze attentive and slightly challenging. The artist as a housewife (or vice versa), velazquez-like for a moment turned away from the dishes, as if it were the canvas on the easel. However: It's the same pose, the same space, but for all the similarity, it's not the same woman looking into the camera. Between original and replica, mother and daughter, lie 30 years that seem to have been erased in the identity of the same moment. Here it is not a matter of progression and progress, not of time passing and past, but of return, roundness instead of line, cyclically fading and then again sharply contour-ed memory, a mode of perpetual twilight.